Inte­gra­ti­ons­po­li­tik

Inte­gra­ti­ons­po­li­tik
16.02.2017

218. Sit­zung des Deut­schen Bun­des­ta­ges vom 16. Febru­ar 2017

Sehr geehr­te Frau Prä­si­den­tin! Sehr geehr­te Damen und Her­ren! Der Antrag der Lin­ken gibt uns heu­te die Mög­lich­keit, über die Erfol­ge der Arbeits­markt- und Sozi­al­po­li­tik der Gro­ßen Koali­ti­on zu spre­chen. So sehe ich Ihren Antrag, der in eini­gen Punk­ten – in die­sem Fall sind es sie­ben Poli­tik­fel­der – Defi­zi­te benennt. Aus Sicht eines Uni­ons­po­li­ti­kers hal­te ich ihn zum Teil für sehr ein­sei­tig. Zu die­sem Schluss kom­me ich, wenn ich die Wirk­lich­keit betrach­te.

Ich möch­te ein­mal die Ent­wick­lun­gen im Ber­li­ner Osten, in mei­nem Wahl­kreis Ber­lin-Lich­ten­berg dar­le­gen. Wir haben die Wie­der­ver­ei­ni­gung und dana­ch sozia­le und gesell­schaft­li­che Umbrü­che erlebt. 2005 – das war der Höhe­punkt – lag die Arbeits­lo­sen­quo­te in mei­nem Wahl­kreis bei 17,3 Pro­zent. Damals hat sich die rot-grü­ne Koali­ti­on durch­ge­run­gen, muti­ge Arbeits­markt­re­for­men umzu­set­zen, und zwar mit Unter­stüt­zung der Uni­on. So ist die Arbeits­lo­sen­quo­te von 17,3 Pro­zent im Jah­res­durch­schnitt 2013 auf 10,8 Pro­zent gefal­len. Das war das Jahr, in dem ich in den Deut­schen Bun­des­tag gewählt wur­de und mei­nen Bei­trag im Aus­schuss für Arbeit und Sozia­les leis­ten woll­te, dass die­se posi­ti­ve Ent­wick­lung fort­ge­setzt wird. Im Jah­res­durch­schnitt 2016 lag die Arbeits­lo­sen­quo­te in Ber­lin-Lich­ten­berg bei 8,5 Pro­zent. Das bedeu­tet, dass wir uns wei­ter­hin um die­je­ni­gen küm­mern müs­sen, die noch Arbeit suchen. Im glei­chen Zeit­raum gab es eben­falls eine posi­ti­ve Ent­wick­lung bei der Jugend­ar­beits­lo­sig­keit. Die Jugend­ar­beits­lo­sig­keit ist im Jah­res­durch­schnitt 2013 von 10 Pro­zent auf nun 8 Pro­zent gesun­ken. Das alles sind höchst erfreu­li­che und posi­ti­ve Zah­len.

Wenn es um eine sozia­le Offen­si­ve geht – hier suche ich gern das Ver­bin­den­de –, dann muss man natür­li­ch anspre­chen, dass es auch in den letz­ten Jah­ren Per­so­nen­krei­se gab, die von der posi­ti­ven Ent­wick­lung auf dem Arbeits­markt nur zum Teil pro­fi­tiert haben. Dazu gehö­ren Lang­zeit­ar­beits­lo­se – die­se machen mitt­ler­wei­le in Lich­ten­berg einen gro­ßen Anteil aus –, die lei­der Got­tes nicht so ein­fach in Arbeit inte­griert wer­den konn­ten. Des Wei­te­ren gibt es geflüch­te­te Men­schen, die hier einen Blei­be­sta­tus haben und es eben­falls nicht ein­fach haben, in Arbeit zu kom­men. Aber eine rich­ti­ge Inte­gra­ti­on kann nur über Arbeit erfol­gen.

In der Poli­tik ist es ent­schei­dend, kon­kre­te Vor­schlä­ge zu machen. Ich habe bei der Abge­ord­ne­ten­haus­wahl erlebt, dass der Anteil popu­lis­ti­scher Par­tei­en in Ber­lin-Lich­ten­berg hoch­ge­gan­gen ist. Auch des­we­gen haben wir uns ent­schie­den, ein Pilot­pro­jekt in Lich­ten­berg auf den Weg zu brin­gen. Die­ses Tan­dem-Job-Pro­gramm inte­griert immer einen Lang­zeit­ar­beits­lo­sen und einen Flücht­ling in Arbeit. Die­ses Pilot­pro­gramm erfährt gro­ße Unter­stüt­zung von Karl Schie­wer­ling und Peter Weiß aus der Arbeits­grup­pe. An die­sem Pro­gramm betei­li­gen sich frei­wil­lig gro­ße Unter­neh­mer aus Ber­lin-Lich­ten­berg wie das Köni­gin-Eli­sa­be­th-Herz­ber­ge-Kran­ken­haus und das Aba­cus-Tier­park-Hotel sowie Unter­neh­men aus der Sicher­heits­bran­che genauso wie sozia­le Unter­neh­men, zum Bei­spiel die Kiez­kü­chen. Ins­ge­samt wer­den so 20 Per­so­nen durch bestehen­de Mög­lich­kei­ten der FAV in Arbeit inte­griert. Das heißt, zehn Lang­zeit­ar­beits­lo­se und zehn Flücht­lin­ge wer­den gemein­sam von Unter­neh­men in Arbeit inte­griert. Das ist ein Bei­trag für eine sozia­le Offen­si­ve in mei­nem Wahl­kreis, der Men­schen kon­kret hilft, in Arbeit zu kom­men.

Sie nen­nen in Ihrem Antrag die Punk­te, wo Ihrer Auf­fas­sung nach Defi­zi­te bestehen, zum Bei­spiel bei der Schaf­fung des Wohn­raums, der Arbeits­markt­re­form – die­se sind wir Ihrer Mei­nung nach nicht ange­gan­gen – und im Gesund­heits­be­reich. Zudem stel­len Sie im Bereich des Arbeits­mark­tes For­de­run­gen an die Bun­des­re­gie­rung. Ich will auf drei Punk­te ein­ge­hen, die Sie im Bereich der Arbeits­markt­po­li­tik for­mu­lie­ren. Ers­tens. Sie wol­len den öffent­li­chen Beschäf­ti­gungs­sek­tor auf 300 000 Per­so­nen aus­bau­en. Ange­sichts mei­ner Erfah­run­gen in mei­nem Wahl­kreis Lich­ten­berg kann ich ver­ste­hen, dass es Per­so­nen­grup­pen gibt, für die man Hil­fe orga­ni­sie­ren muss. Aber 300 000 Per­so­nen und eine ent­spre­chen­de Finan­zie­rung stel­len eine Her­aus­for­de­rung dar, die wir im Bun­des­haus­halt nicht stem­men könn­ten und auch nicht stem­men wol­len. Zwei­tens wol­len Sie die Sank­tio­nen abschaf­fen. Ich will ganz offen sagen, dass es auch bei uns Dis­kus­sio­nen dar­über gibt, ob es tat­säch­li­ch so hilf­reich ist, wenn Per­so­nen aus den Hil­fe­sys­te­men her­aus­fal­len. Aber die grund­sätz­li­che Abschaf­fung von Sank­tio­nen leh­nen wir selbst­ver­ständ­li­ch ab. Der drit­te Punkt in Ihrem Antrag ist – das führt die Gesell­schaft nicht zusam­men –, dass Sie eine Son­der­ab­ga­be für Arbeit­ge­ber in Höhe von 0,5 Pro­zent ein­füh­ren wol­len, um die Lang­zeit­ar­beits­lo­sig­keit zu bekämp­fen. Die­ses Gegen­ein­an­der-Aus­spie­len von Grup­pen wird, fin­de ich, in Ihrem Antrag sehr deut­li­ch. Auch des­we­gen ist es für uns, die CDU/CSU, klar, dass wir Ihren Antrag ableh­nen.

Mei­ne Vor­red­ne­rin Astrid Freu­den­stein hat schon sehr deut­li­ch gemacht, dass Ihr Antrag eine Zusam­men­stel­lung Ihres Wahl­pro­gramms ist, in dem Sie die unter­schied­li­chen The­men­be­rei­che benen­nen. Ich bin gespannt, in der poli­ti­schen Debat­te zu erfah­ren, wie Sie Ihre For­de­run­gen finan­zie­ren wol­len. Ich möch­te an die­ser Stel­le den zahl­rei­chen Unter­neh­mern in Lich­ten­berg dan­ken, die in den letz­ten Jah­ren Tau­sen­de Arbeits­plät­ze geschaf­fen haben. Ich möch­te dem Job­cen­ter Lich­ten­berg dafür dan­ken, dass es mit viel Initia­ti­ve und mit vie­len enga­gier­ten Mit­ar­bei­tern dazu bei­trägt, dass Men­schen in Arbeit kom­men. In die­sem Zusam­men­hang sei­en Lutz Neu­mann, der Geschäfts­füh­rer, und Micha­el Den­kert, der Bereichs­lei­ter, genannt. Ich dan­ke auch der Agen­tur für Arbeit in Ber­lin-Bran­den­burg, die es ermög­licht hat, das Tan­dem-Job-Pro­gramm in die Wirk­lich­keit umzu­set­zen. Es sind vor allem Jut­ta Cor­dt und Bernd Becking, denen mein Dank gebührt. Den Antrag der Lin­ken müs­sen wir lei­der ableh­nen. Vie­len Dank.