50 Jah­re Euro­päi­sche Sozi­al­char­ta

50 Jah­re Euro­päi­sche Sozi­al­char­ta
10.11.2016

199. Sit­zung des Deut­schen Bun­des­ta­ges vom 10. Novem­ber 2016

Sehr geehr­te Frau Prä­si­den­tin! Sehr geehr­te Damen und Her­ren! Es ist gut, dass wir heu­te noch ein­mal ab­schließend über die Euro­päi­sche Sozi­al­char­ta debat­tie­ren und dass wir das Gan­ze mit die­ser Lesung abschlie­ßen kön­nen. Die Dis­kus­si­on hat gezeigt, dass die Euro­päi­sche Sozi­al­char­ta ein his­to­ri­scher Mei­len­stein war und dass 50 Jah­re Euro­päi­sche Sozi­al­char­ta ein guter Anlass war, auf Wunsch der Lin­ken dar­über zu debat­tie­ren. Wir haben uns das ers­te Mal am 26. Febru­ar 2015 hier dar­über aus­ge­tauscht. Mei­ne Kol­le­gin Kat­rin Alb­st­ei­ger und ich haben in unse­ren Reden für die CDU/CSU-Frak­tion deut­li­ch gemacht, dass wir selbst­ver­ständ­li­ch offen sind, dar­über zu dis­ku­tie­ren, bei wel­cher Mög­lich­keit es gege­ben ist, die revi­dier­te Fas­sung zu rati­fi­zie­ren.

Wir hat­ten dann am 10. Juli 2015 eine Anhö­rung im Aus­schuss für euro­päi­sche Ange­le­gen­hei­ten. Dort haben sich unter­schied­li­che Exper­ten geäu­ßert. Der DGB hat die Hoff­nung zum Aus­druck gebracht, zu einer Ratifizie­rung zu kom­men. Er hat aber in ein­zel­nen Punk­ten un­sere Kri­tik, auf die ich nach­her noch inhalt­li­ch ein­ge­hen wer­de, auch bestä­tigt. Herr Pro­fes­sor Micha­el Eil­fort von der Stif­tung Markt­wirt­schaft hat her­aus­ge­stellt, dass es bei der jetzi­gen Rati­fi­zie­rung nicht dar­um geht, ob man die sozia­len Errun­gen­schaf­ten akzep­tiert oder nicht, son­dern dass es dabei wich­tig ist, zu schau­en, ob wir das auch in nationa­les Recht über­tra­gen kön­nen. Am 28. Sep­tem­ber 2016 haben wir im Aus­schuss er­neut dar­über gespro­chen, uns aus­ge­tauscht und das ab­gelehnt. Wir wer­den heu­te die­se Ent­schei­dung hier im Deut­schen Bun­des­tag mit den Stim­men der Gro­ßen Ko­alition tref­fen.

Gucken wir ein­mal in die Geschich­te: 1964 hat die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land die Sozi­al­char­ta rati­fi­ziert. Das war damals ein wich­ti­ger Schritt, weil man auf der einen Sei­te wich­ti­ge Rech­te defi­niert und fest­ge­hal­ten hat, zum Bei­spiel das Recht auf Arbeit, das Streik­recht und das Recht auf Gesund­heit am Arbeits­platz. Auf der ande­ren Sei­te war das aber nicht nur für die Bundesrepu­blik Deutsch­land, son­dern auch für die Staa­ten des Euro­pa­ra­tes ein wich­ti­ger Punkt für die Ent­wick­lung einer ein­heit­li­chen Sozi­al­po­li­tik. Das muss man an die­ser Stel­le deut­li­ch sehen. 1996 war es so weit, dass die Euro­päi­sche Sozialchar­ta revi­diert wur­de. Deutsch­land hat sie 2007 unterzeich­net, aber bis heu­te noch nicht rati­fi­ziert. 33 von 45 Mit­glied­staa­ten haben das getan und 12 eben nicht. Die Grün­de dafür sind höchst unter­schied­li­ch. Dazu gehö­ren Staa­ten wie Spa­ni­en, Grie­chen­land und Groß­bri­tan­ni­en. Die Grün­de sind sehr indi­vi­du­ell und, wie gesagt, sehr unter­schied­li­ch.

Wir haben nun ein­mal das Cre­do in der Bundesrepu­blik Deutsch­land, dass wir inter­na­tio­na­le Abkom­men nur dann umset­zen, wenn wir sie glaub­wür­dig implementie­ren und das, was dort ver­ein­bart wur­de, auch in das deut­sche Recht über­tra­gen kön­nen. So haben die Debat­ten, die wir im Aus­schuss geführt haben – es gab auch eine Anhö­rung–, die wir hier im Deut­schen Bun­des­tag geführt haben, deut­li­ch gemacht – das wird sich auch heu­te zei­gen–, dass wir für die Fra­ge des Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bots, dafür, wie wir mit dem Quer­schnittscha­rak­ter umge­hen, noch kei­ne ver­nünf­ti­ge Lösung haben. Der zwei­te wich­ti­ge inhalt­li­che Punkt– da haben wir inhalt­li­ch eine ande­re Auf­fas­sung, ganz deut­li­ch, als die, die bei­spiels­wei­se von Ihnen in der Debat­te ver­tre­ten wur­de – ist die Fra­ge: Wie gehen wir mit einem allgemei­nen Streik­recht um? Wir haben in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land kein Streik­recht für Beam­te. Das wol­len wir auch nicht; da haben wir eine ganz kla­re Über­zeu­gung. So zeigt sich mit dem heu­ti­gen Tag, dass es, glau­be ich, wich­tig und rich­tig war, die­se Debat­te zu füh­ren. Aber wir müs­sen schon fest­stel­len, dass wir an die­ser Stel­le noch nicht so weit sind, dass wir die Rati­fi­zie­rung vor­neh­men kön­nen. Des­we­gen wer­den wir als Unions­fraktion den Antrag der Lin­ken auch ableh­nen. Vie­len Dank für die Auf­merk­sam­keit.